Freitag, 13. April 2012

Betriebsrat

Nachdem das Trinken aus der Flasche immer schlechter klappt (das Schreien fängt schon beim Anblick der Flasche an), beschließe ich, meine Chefin zu kontaktieren.
Von ihr aus wäre es kein Problem, wenn ich einige Monate aus von zu Hause aus arbeiten würde. Da mein Mann zu dieser Zeit in Elternzeit ist, und wir über ein separates Arbeitszimmer verfügen, sollte das kein Problem sein, könnte man meinen. Könnte man. Leider gibt es eine Institution, die unter dem Deckmantel des Arbeitnehmerwohls das Projekt Heimarbeit ohne Erbarmen abblockt: Der Betriebsrat. Auch eine zweite Anfrage mit genauer Begründung meinerseits, warum es keineswegs eine unzumutbare Mehrfachbelastung für mich ist, von zu Hause aus zu arbeiten (im Gegenteil!) wird einfach abgeschmettert. Die Begründung? Es gibt keine. Insgeheim frage ich mich, ob die Begründung nicht doch darin liegt, dass die aufsässige Frau dahin verwiesen werden konnte, wo sie hingehört: Heim und Herd, Haushalt ja, aber bloß keine Arbeit, für die man bezahlt wird. Erst recht nicht, wenn statt dessen anklingt, dass sich der Mann um den Haushalt und das Kind kümmert. Ich überlege, wieviele Frauen im Betriebsrat sitzen. Auf Anhieb fällt mir keine ein. Ich kenne dort nur Männer. Ich denke ein Jahr zurück, als ich davon überzeugt war, dass die Diskriminierung* der Frauen in der Berufswelt ein von den Medien geschaffener Mythos ist. So langsam habe ich das Gefühl naiv gewesen zu sein. Da habe ich eine Arbeit, die sich von zu Hause aus erledigen ließe, eine Chefin, die das Ganze unterstützt, einen Ehemann, der das unterstützt, und alles scheitert dann am Betriebsrat? Angeblich zu meinem eigenen Wohl? Noch nicht mal das Argument, dass wir auf das Geld angewiesen sind, da ich dank voriger Tätigkeit an der Uni nur sehr wenig Elterngeld bekomme, zieht.
Selbst schuld, Frau! höre ich praktisch. Es ist zu deinem eigenen besten! Sei eine gute und sparsame Hausfrau, dann geht das schon! Kümmer dich lieber um dein Kind! Dein Mann? Männer gehören in einen Vollzeitjob, und damit hat sich die Sache!

*Diskriminierung ist vielleicht nicht das richtige Wort, es dürfte wohl auch kein Mann von daheim arbeiten. Aber die Steine, die einer stillenden Frau nun mal im Wege liegen, werden noch mit Zement umgossen...

5 Kommentare:

  1. Kann ich gar nicht verstehen. Was könnte Dich das denn mehr belasten, zu Hause zu arbeiten? Haben die Angst, dass Du heimlich von Deiner Chefin gezwungen wirst, zu Hause mehr als das vereinbarte Pensum zu arbeiten? Und das keiner merkt, weil Du armes Häschen mutterseelenallein zu Hause sitzt und nicht vom wehrhaften Betriebsrat geschützt werden kannst?

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  2. Liebe Hannah,
    es tut mir leid zu hören, dass du auch diese Erfahrungen machen musst. Für mich war es ein Grund, in ein flexibles Unternehmen zu wechseln (was auch Nachteile für mich hatte), in dem ich die Heimarbeit an Betriebsrat und Personalarbeit vorbei direkt mit meinem Vorgesetzten vereinbart habe. Das geht natürlich nur im Notfall, z.B. bei kranken Kindern, sonst fällt es auf. Wenn ich auf eine offizelle Betriebsvereinbarung warte, kann ich damit frühestens meine Enkelkinder pflegen, denn im Betriebsrat sitzen die gleichen Anwesenheitshuldiger, jederzeit bereit, den Menschen mit Betreuungsverpflichtungen, die effizientere Arbeitsmethoden wünschen, das Leben schwer zu machen.

    Ich wünsche dir, dass du deinen Weg findest!

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  3. @Hausfrau und Mutter, nein, ich denke es geht hier um eine Grundsatzfrage die ein summum ius summa iniuria nach sich zieht. Der Betriebsrat will hier einfach keinen Präzedenzfall schaffen, da mag die Begründung dann noch so krude sein. Ich denke, neben einem veralteten Bild von Arbeit (der gute alte Präsenzfanatismus) spielt da vielleicht auch noch Angst vor Kontrollverlust mit... keine Ahnung.
    @dwm, was waren das denn für Nachteile? Und wie findet man denn ein flexibles Unternehmen? Wenn man sowas im Bewerbungsgespräch anspricht, ist man doch gleich draußen, oder?

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  4. Ich hatte den Vorteil dass ich den Vorstand des Unternehmens von früher kannte und er mich abwerben wollte, die geduldete Telearbeit war meine Bedingung, aber man ist nicht immer in so einer guten Position, wo man verhandeln kann. Der Nachteil ist einerseits, dass Flexibilität auch von den Mitarbeitern gefordert wird und andererseits, dass die Strukturen so schnell verändert werden, dass man ganz schnell weg sein kann von seiner Position. Deswegen wurde ich auch degradiert, nachdem der Vorstand, der mich geholt hatte, gestorben war. Seither habe ich versucht, wieder ein flexibles Unternehmen zu finden, das auf meine Anforderungen eingeht, aber nur eines gefunden, und da war das Gehalt nicht ok. Bei allen anderen war es in der Tat das KO-Kriterium beim Bewerbungsgespräch.

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  5. Wow. Das ist tatsächlich sehr weit weg von meiner Arbeitswelt, wo Home-Office einfach selbstverständlich ist. Dafür fallen dort natürlich andere Errungenschaften des traditionellen Arbeitslebens weg - Überstundenausgleich, wo bist Du noch mal?

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