Montag, 21. Mai 2012

Perfektion

Stereotype sind einfach nicht auszurotten, gerade wenn sie sich auf "typisch Mann" und "typisch Frau" beziehen. Und auch die nationalen Schubladen sind allgegenwärtig: Die temperamentvollen Südländer, die optimistischen US-Amerikaner, und, die perfektionistischen Deutschen, die niemals nicht mal 5 gerade sein lassen können.
Eine beeindruckende und erfolgreiche Frau, die ich einmal getroffen habe, wagte diese These: "Einer der Hauptgründe, warum gerade deutsche Frauen sich so schwer tun, Beruf und Familie zu verbinden liegt im deutschen Wesenszug, alles perfekt machen zu wollen". Ganz recht, die eigenen Ansprüche stehen einem im Weg. Man möchte alles richtig machen. Und deutsche Redewendungen in diese Richtung gibt es zu Hauf (mehr als in anderen Sprachen? Wer weiß hier Bescheid?): "Wenn schon, denn schon". "Ganz oder gar nicht". "Wer A sagt, muss auch B sagen", "Ein bisschen schwanger geht nicht". " Es werden Nägel mit Köpfen gemacht" usw.
Und so ist der Anspruch: Die perfekte Mutter, die 24 Stunden am Tag 7 Tage die Woche für ihre Kinder da ist. Die mit den Kindern bastelt, zu jeder Feier eine oder mehrere Torten backt, sie zu jedem Kurs fährt und wieder abholt, die hingebungsvoll vorliest, immer frisch kocht und so weiter. Natürlich glänzt außerdem das Haus, im Bad hängen immer duftende, frische Handtücher, der Garten ist ein Augenschmaus und die Fenster sind so sauber, als seien sie gar nicht da.
Bleibt natürlich noch, dass Frau selbst top gepflegt ist, eine gute Figur hat, charmant und immer gut gelaunt ist sie sowieso. 
Spätestens jetzt ist klar, dass das keine Frau hinbekommt, wie soll es dann noch funktionieren, immer 120% im Job zu bringen? Den Nachwuchs im selbstverdienten Porsche zu kutschieren? Eine Gehaltsstufe nach der anderen zu erklimmen und alle Aufgaben erledigt zu haben, bevor man sie bekommt? Eben. Gar nicht.
Und da sich die Realität nicht so einfach ignorieren lässt, ist es doch einfacher, an den eigenen Ansprüchen zu schrauben. Den Staubmäusen freundlich zuzuwinken, abends mal die Tiefkühlpizza in den Ofen zu schieben, den unrasierten Bart des Göttergatten mit unrasierten Beinen zu begegnen, Mann, Oma oder auch Tagesmutter den Nachwuchs für mehrere Stunden in den Arm zu drücken und den Single-Kollegen, die wieder Überstunden schieben, noch frohes Schaffen zu wünschen, während man selbst davonbraust um weiter mit den vielen Bällen zu jonglieren. Und zu erkennen, dass dieser Moment, in dem alle zwar vor sich hinwurschteln, aber gesund und glücklich sind, doch der wahre perfekte Moment ist.

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