Dienstag, 24. Juli 2012

Entscheidung und Schwebezustand

Die Bewerbungsgespräche habe ich also hinter mich gebracht, nur zwei sind in der engeren Auswahl. Welcher würde mir wirklich liegen? Nachdem ich noch einige Nächte darüber schlafe, komme ich zu einem Entschluss. Ich wiederhole:
Stelle Nummer 1, mit sehr guten Karriereaussichten in einer Gruppe, die neu aufgebaut wird und einem männlichen Chef (mit Kind), in einem Fachgebiet, in das ich mich ausführlicher einarbeiten muss als in Stelle 2. Höchstwahrscheinlich in einem sehr männerlastigen fachlich homogenen Umfeld. Ich füge hinzu: schlechter bezahlt als Stelle 2
Oder aber Stelle 2, in der die Karriereaussichten gut aber nicht sehr gut sind, in der es aber eher wie an der Uni zuzugehen scheint und dessen Arbeitsweise mir dementsprechend vertrauter sein dürfte, mit einer weiblichen Chefin (mit Kind), und einem stärker gemischten fachlich breiter gestreuten Umfeld. Eine Stelle, die besser bezahlt ist als Stelle 1.

Und dann denke ich mir: Was spricht für Stelle 1. Sind die Karriereaussichten hier wirklich besser? Das ist doch etwas, was ich nicht beurteilen kann. Warum soll ich Stelle 1 nehmen? Spricht sie mich nur deshalb an, weil ich mir etwas beweisen will? Dass ich  mich schon wieder schnell in ein neues Themengebiet einarbeiten kann? Das weiß ich doch schon. Dass ich mit einer männerlastigen Umgebung zurechtkomme? Nichts anderes habe ich doch die letzten 4 Jahre getan, oder seien wir ehrlich: Seit den Leistungskursen in der Schule. Und: schlechter bezahlt werden als bei Stelle 2? Liegt es vielleicht daran, dass ich mich scheue, die Vorteile in Anspruch zu nehmen, die mir bei Stelle 2 geboten werden? Scheue ich mich davor, die Förderung als Mutter von einer Mutter in Anspruch zu nehmen, scheue ich mich davor, endlich fachlich das zu machen, wofür ich ausgebildet wurde? Scheue ich mich davor, besser bezahlt zu werden? Wie absurd ist das Ganze überhaupt? Wem will ich hier etwas beweisen? Und so sage ich Stelle 2 zu. Und bekomme die offizielle Emailzusage.

Die Tage darauf befinde ich mich in einem Schwebezustand - dort noch nicht angekommen, aber schon halb aufgebrochen. Es ist kein schönes Gefühl, zu einer Arbeitsstelle zu fahren, die man innerlich schon gekündigt hat, aber noch nicht offiziell, da der neue Vertrag noch in Bearbeitung ist. Ich tue, was ich sonst nie auf Arbeit tue. Gucke auf mein privates Smartphone, surfe im Internet. Mache nur noch die Arbeit, die mir Spaß macht, kaufe ganz in Ruhe und ohne Eile beim Bäcker auf dem Betriebsgelände ein. Hetze nicht auf dem Weg zum Milchabpumpen. Ich fühle mich seltsam halb schon nicht mehr zugehörig. Tausendmal denke ich das Kündigungsgespräch durch.  Ich kann es kaum erwarten, den Vertrag auf dem Tisch zu haben und mich zu verabschieden. Dieser Schwebezustand ist nicht schön und ich frage mich, wie das Mitarbeiter aushalten, die innerlich schon gekündigt haben, ohne aber wirklich wechseln zu können. Hoffentlich muss ich das nie herausfinden. So übe ich mich denn in Geduld.

1 Kommentar:

  1. Oh wie schön! Glückwunsch! Und die Stelle mit den super-duper-Aufstiegschancen, die findest Du Dir dann, wenn Du in der neuen Stelle Berufserfahrung gesammelt hast und die Kinderbetreuung zu Deiner Zufriedenheit geregelt ist! Daumen hoch!

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